Gedenkrede für Fritz Gerling
Liebe Angehörige, liebe Trauergäste,
wir haben uns heute hier versammelt, um einen Menschen zu ehren und zu verabschieden, der mutig genug war, seine Träume wirklich zu leben – und nicht nur auf ihre Erfüllung zu hoffen, einen Menschen, der nicht nur einem Beruf nachgegangen ist, sondern seine Berufung gefunden und für sie gelebt hat – euren Vater, Großvater, lieben Kollegen und Freund Fritz Gerling.
Fritz, du wurdest am 08. Oktober 1940 – mitten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges – und als zweites von drei Kindern von Emma und Anton Gerling in eurer Wohnung in Dresden geboren.
Auf dich wartete bereits deine zwei Jahre ältere Schwester Franziska und vier Jahre später erblickte dein kleiner Bruder Gerhard das Licht der Welt. Trotz der schweren Zeiten, in denen du aufwuchst, ist eine deiner frühesten Erinnerungen eine glückliche: Drei Jahre warst du alt und ihr verbrachtet euren gemeinsamen Familienurlaub im Oberjoch. Deinen Vater – der dafür extra aus dem Krieg kam – hast du dort das letzte Mal gesehen…
Nun blieben dir nur noch deine Geschwister und deine herzensgute Mutter Emma, die nun wohl all ihre innere Stärke und Entschlossenheit aufbringen musste, um für sich selbst und ihre drei Kinder, im wahrsten Sinne des Wortes weiterzukämpfen… In der Bombennacht vom Februar 1945 floht ihr in den Keller einer nahegelegenen Straße; die Häuser gegenüber waren bereits zerstört. Noch als erwachsener Mann hast du dich an den Brandgeruch erinnert. Und schon als kleines Kind hast du begriffen, welcher unsagbare kulturelle Reichtum in dieser Nacht verloren ging – wo erst wunderschöne Häuser standen, lagen nun nur noch Trümmer. Die bittere Willkür einer Handvoll Menschen gegen das Schicksal von tausenden… Das Einzige, was dem Schrecklichsten, was die Menschheit hervorbringt entgegenzusetzen ist, ist wohl das Schönste, was die Menschheit in sich trägt – die Liebe. Die Liebe deiner Mutter, die euch beschützt, die ein Balsam für eure kindlichen Seelen war – auch wenn deine eigene Seele später nur schwer und nur mit Hilfe einen stabilen Halt finden konnte… Neben ihrer Liebe ist das vielleicht wertvollste Geschenk deiner Mutter an dich die Sprache – nicht umsonst die „Muttersprache“ – ein unverlierbares Zuhause, unsere Identität und Heimat – die mit ein paar Koseworten beginnt, dem zärtlichen Spiel der mütterlichen Stimme und die schließlich zu einem Schatz wird – auch wenn man ihn nicht sehen kann.
Doch wenn man ihn mit sich trägt, geht man nie wehrlos aus dem Haus. Für dich wurde er zu deiner Leidenschaft, deiner Berufung, deinem Leben…
Befeuert wurde dies wohl vor allem durch die sonntäglichen Besuche bei den Eltern deines Vaters. Dort war das Anhören der Sportsendung mit dem schönen und klangvollen Radio ein heiliges Ritual. Und für dich – mit dem Studium der verschiedenen Sportreporter – der Funken für deine ganze berufliche Laufbahn.
Und auch wenn dein Berufswunsch Sportreporter zu werden schon so früh feststand, so musste dennoch erst die Schule besucht werden… 1947 wurdest du eingeschult – du gingst gerne in die Schule, warst Klassenbester und schon damals nicht zu scheu, den anderen Kindern verschiedene Dinge zu erklären und Geschichten zu erzählen. Natürlich habt ihr auch zusammen mit allem was irgendwie rund war auf der Straße Fußball gespielt – und war euch das nicht genug – denn man soll ja schließlich groß träumen – habt ihr euch in das Stadion geschlichen und dort weitergespielt. Das Träumen lohnte sich für dich gleich doppelt – mit Geschick und Einsatz wurdest du 1957 Mannschaftskapitän der Junioren Fußballmannschaft von Turbine Dresden. Wie kann man schließlich glaubwürdig über etwas berichten wollen, was man nicht hautnah miterlebt hat? Inklusive allen Schweißes und Jubels, aller Freuden, Tränen und Knieschmerzen… So hattest du schon mit 17 Jahren genug Erfahrung gesammelt, um Reportagen über verschiedene Sportveranstaltungen für die Zeitung zu schreiben; zur selben Zeit sammeltest du auch schon Bühnenerfahrung als Moderator. 1959 legtest du in der Kreuzschule Dresden das Abitur ab und da du glücklicherweise nicht zum Wehrdienst eingezogen wurdest, konntest du dich ganz auf deinen sehnlichsten Berufswunsch konzentrieren… Bei einem Theaterschauspieler nahmst du Sprechunterricht, um deine Atmung zu optimieren und eine gute Aussprache zu lernen. Im Heidenauer „Junge Talente Club“ bekamst du auf verschiedenen Veranstaltungen immer wieder die Möglichkeit deine Bühnentauglichkeit unter Beweis zu stellen. Dein Leben als Reporter konnte nun endlich wirklich beginnen… Du bekamst eine Stelle im Betriebsfunk des VEB Elektromotoren Sachsenwerk, schriebst Sportartikel für die Sächsische Zeitung, wurdest Stadionsprecher im Heinz-Steyer-Stadion und 1961 im Eisstadion in Weißwasser, den Kunstrollschuhverein, deren Veranstaltungsmoderator du ebenso warst, begleitetest du auf Tourneen bis nach Breslau. 1962 wechseltest du als Reporter zum Sender Dresden, für den du dich oft mit deinem Dienst-Wartburg und mit einem Tonbandaufnahmegerät und Mikrofon ausgestattet aufmachtest, um damalige Persönlichkeiten wie Juliette Greco und Ingrid Krämer zu interviewen. Deine Aufnahmen beeindruckten nicht nur deine Kollegen, sie wurden auch über den Sender ausgestrahlt, was dich stolz und glücklich machte.
Deine warme, tiefe und markante Stimme wurde nicht nur von den Hörern im Allgemeinen geschätzt – sie war insbesondere bei den Frauen beliebt. Obwohl du als Sprecher ganze Säle und Stadien unterhalten konntest, war es bestimmt auch dein Geschick stillschöne Wortwelten zu erschaffen – deine Hand an einer Frauenwange – und Worte zu flüstern, die duften…
Deine erste große Liebe war Saskia, mit der du dich 1964 vermähltest. Aus eurer jungen Zusammenkunft ging Carmen hervor, die 1966 das Licht der Welt erblickte.
Mit Sicherheit liebtest du deine Frau, auch deine Tochter, doch liebtest du auch deine Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit. Du hattest noch so viele Ideen, so viele Pläne – und du wolltest nicht nur träumen und bereuen, sondern TUN.
Als freiberuflicher Journalist tourtest du nicht nur durch die DDR, sondern unternahmst 1973 mit deinem engen Freund und Kameramann Ernst Hirsch auch eine Filmreise durch Ungarn, Bulgarien, und Rumänien – weitere Reisen führten dich nach Tschechien und Russland. Deine Reportagen über Land und Leute botest du anschließend verschiedenen Sendern an und sie waren begeistert… Durch deine Reisen hast du Freunde in aller Welt gefunden – und deine Liebsten zu Hause hast du mit Postkarten aus all den verschiedenen Ländern beglückt.
Deine Liebsten, zu denen auch Susanne gehörte, mit der du 12 Jahre lang eine Beziehung geführt hast, eure Tochter Nele, die 1982 und dein Sohn Albert, der 1981 geboren wurde sowie seine Mutter Sonja.
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Deine Karriere entwickelte sich unablässig fort. Im Dresdner Fernsehen wurdest du als Nachrichtensprecher eingesetzt, bei mdr Radio Sachsen warst du Radiomoderator. So führtest du die Hörer durch die beliebte Wunsch- und Grußsendung „Dreiländernacht“. Bis über das Rentenalter hinaus hast du an so unglaublich vielen Reportagen, Veranstaltungen und Sendungen mitgewirkt, dass es lange dauern würde, all deine Verdienste aufzuzählen. Das Wichtigste ist doch aber, dass du damit glücklich warst – dass dich die Arbeit erfüllt hat und du den Menschen, die dich gehört und gesehen haben, damit eine Freude gemacht hast. Denn was soll sonst der Sinn des Lebens sein – als andere Menschen fröhlich zu machen und dabei selbst wahre Freude zu empfinden? Es klingt einfach – auch wenn es nicht leicht ist. Wo ist das gute Mittelmaß zwischen dem, was ich brauche und dem, was andere von mir brauchen?
Um der zu sein, der du warst, konntest du deine Beweglichkeit – deine Freiheit – nicht hergeben… Es scheint, du hast ein rastloses Leben geführt, voller Vorhaben, Projekte und der Suche nach Abenteuern – ein Leben, von dem andere träumen. Und wohl würdest du ihnen sagen „Träumt nicht, traut euch. Lebt das Leben, dass ihr euch wünscht, solange ihr könnt…“
Irgendwann nahmst auch du dich zurück; du zogst aus deiner Wohnung in Striesen in das idyllisch an der Elbe gelegene Haus in Oberposta, auch wenn diese Idylle bedeutete, dass du zweimal ein Elb-Hochwasser hautnah miterleben musstest, 2013 so nah, dass du mit dem Schlauchboot aus deinem Haus gerettet wurdest. Für Sport interessiertest du dich wie eh und je – insbesondere für Frauensport. So hast du nicht nur die Ergebnisse vom Frauenfußball und Frauenskispringen im Fernsehen verfolgt, sondern auch deinen Schwiegersohn Hans 2019 zur Frauen-Volleyball-Europameisterschaft nach Bratislava begleitet. Auch hast du dich selbst fit gehalten, indem du regelmäßig bei Fernseh-Gymnastiksendungen mitgeturnt hast. Für Spaziergänge an der frischen Luft sorgte schließlich dein kleiner Labradorwelpe, den du dir noch im letzten Jahr angeschafft hattest. Gesellschaft leisteten dir auch die jungen Schwestern aus der Diakonie, die dich in deinem Haus umsorgt haben, und die du dafür zum Lachen gebracht hast.
So ist es doch eine schlechte Ironie des Schicksals, das ausgerechnet du, der die Menschen sein Leben lang mit seinem Sprechen erfreut hat, am Ende nicht mehr sprechen durfte…
Immerhin – deine Liebsten standen dir treu zur Seite, besuchten dich regelmäßig in der Klinik, machten gemeinsam mit dir Spaziergänge im Park und gaben sich alle Mühe, dich auch ohne Worte zu verstehen: deine Töchter, deine Enkelin Kamilla, die mit dir gemeinsam begonnen hatte dein Leben zu dokumentieren, Dilara und Philine, die sich nun um deinen Hund kümmert.
Vermutlich spielt es am Ende keine Rolle, wie viele Menschen man in seinem Leben beeindruckt hat, sondern wie viele einen fest im Herzen tragen werden, wenn man nicht mehr da ist. Selbst das sind bei dir nicht wenige. So bist du – hoffentlich mit diesem tröstlichen Gedanken – am Morgen des 21. Juli eingeschlafen.
Deine letzte Ruhestätte, diesen Friedhof, hast du dir selbst ausgesucht. Ein stiller und versteckter Ort nach diesem aufregenden Leben – und so nahe deines Hauses, das voller Erinnerungen daran ist: Wände und Alben voller Fotos von den Orten, wo du gewesen bist und den Menschen, die du getroffen hast…
Und auch wenn du selbst am Ende nicht mehr sprechen konntest, so spricht doch dein Leben selbst nun für dich. Denn welche Lehren, welche Weisheiten vermittelt es deinen Liebsten…? Es sagt: „Entscheide selbst, wer du sein willst. Hast du deinen Lebenssinn und -zweck gefunden, kämpfe mutig für das, was dich begeistert. Lass aus Gedanken Taten werden und bring deine Sehnsüchte zur Erfüllung. Der Erfolg wird dir Recht geben und es werden sich Türen öffnen, von denen du nicht einmal geträumt hast….
Und überschätze dich ruhig auch einmal. Wer weiß, wo es dich hinbringt.“ Aber du, Lutz, als Liebhaber des weiten Weltraums, hättest es vielleicht mit einem anderen Zitat ausgedrückt:
„Ziele nach dem Mond. Selbst wenn du ihn verfehlst, wirst du zwischen den Sternen landen.“
"Einfühlsam und emotional."
"Mit viel menschlicher Wärme."
"Wir waren beeindruckt von der Kraft Ihrer Rede."